Beratungspflicht hat ihre Grenzen
Das Landgericht (LG) Wuppertal hat mit Urteil vom 22. November 2012 entschieden (Az.: 9 S 102/12), dass ein Versicherer, der einen bislang beitragspflichtigen Risikoeinschluss ab sofort kostenlos anbietet, nicht dazu verpflichtet ist, die Versicherten unaufgefordert darüber zu informieren.
Bei dem beklagten Versicherer hatte der Kläger im Jahr 1997 eine Wohngebäudeversicherung abgeschlossen. Der Kläger nahm das Angebot des Versicherers nicht an, den Vertrag gegen einen Mehrbeitrag um das Risiko von Gebäudebeschädigungen durch unbefugte Dritte zu erweitern.
Daher lehnte der Versicherer folgerichtig die Leistungsübernahme ab, als Mitte Januar 2011 bei einem Einbruchsversuch die Eingangstür des versicherten Gebäudes beschädigt wurde.
Doch das wollte der Kläger nicht hinnehmen. Denn schließlich habe der Versicherer seit 2004 Gebäudeversicherungen im Angebot gehabt, bei denen Gebäudebeschädigungen kostenlos mitversichert sind. Der Versicherer habe daher seine Beratungspflicht gem § 6 Abs. 4 VVG verletzt, weil er seine Versicherten nicht auf die Möglichkeit einer Vertragsumstellung hingewiesen habe.
Das Wuppertaler Landgericht wies die Klage als unbegründet zurück.
Die LG-Richter zeigten sich wie das in der Vorinstanz angerufene Amtsgericht Mettmann davon überzeugt, dass der Versicherer keinen Anlass zur Beratung des Klägers hatte. In dem Jahr, als er die Klausel hinsichtlich der Gebäudebeschädigungen änderte, war die neue Fassung des Versicherungsvertrags-Gesetzes noch nicht verkündet worden. Unabhängig davon muss ein Versicherer nach Ansicht des Gerichts keineswegs stets über seine Produktentwicklung unterrichten, sondern nur dann darauf hinweisen, wenn ein Versicherungsnehmer sein Interesse an einer Änderung seines Versicherungsschutzes zum Ausdruck bringt.
Es würde die Anforderungen an einen Versicherer überbeanspruchen, wenn § 6 Abs. 4 VVG so verstanden würde, dass der Versicherer auch für einen unbegrenzten Zeitraum vor Inkrafttreten dieser Bestimmung eingetretene Änderungen in seinen Versicherungsbedingungen nachhalten und überprüfen müsste, um gegebenenfalls Versicherungsnehmer auf für sie günstige Änderungen hinzuweisen.
Allenfalls dann besteht eine Beratungspflicht, wenn dem Versicherer eine Gefahrerhöhung oder -verminderung einer versicherten Sache bekannt wird.
Hiervon war in dem entschiedenen Fall nicht auszugehen.
Darüber hinaus bestand die Deckungslücke hinsichtlich der Gebäudebeschädigungen nicht erst nach Verabschiedung der Neufassung des Versicherungs-Vertragsgesetzes (VVG). Der Kläger hat die Lücke vielmehr bewusst in Kauf genommen, als er bei Abschluss des Vertrages bewusst auf eine entsprechende Erweiterung verzichtet hat.
Deswegen kann er dem Versicherer keine Verletzung seiner Beratungspflicht vorwerfen.