BGH zur Kündigung einer Bausparkasse bei hochverzinsten Bauspar-Altverträgen
Der Bundesgerichtshof (BG) hat mit zwei Urteilen vom 21. Februar 2017 (XI ZR 185/16 und XI ZR 272/16) entschieden, dass eine Bausparkasse Bausparverträge kündigen darf, wenn die Kontrakte seit mehr als zehn Jahren zuteilungsreif sind, auch wenn diese noch nicht voll bespart sind.
Dieses Kündigungsrecht der Bausparkasse gilt auch dann, wenn diese Verträge noch nicht voll bespart sind, wie der u.a. für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat des BGH in zwei im wesentlichen Punkt parallel gelagerten Revisionsverfahren entschieden hat.
In den beiden Fällen ging es um im September 1978 bzw. im März 1999 abgeschlossene Bausparverträge über eine Bausparsumme von etwa 81.800 Euro bzw. ca. 20.450 Euro. Die Bausparkasse hatte die seit mehr als zehn Jahren zuteilungsreifen Kontrakte im Januar 2015 unter Berufung auf § 489 Absatz 1 BGB zum 24. Juli 2015 gekündigt.
Dagegen hatten die Bausparer Klage eingereicht. Sie argumentierten, die Bausparkasse habe den Bausparvertrag nicht wirksam kündigen können. Ihre gegen die Klageabweisung des Landgerichts Stuttgart (Urteile vom 15. September 2015 – 25 O 89/15 und vom 19. November 2015 – 6 O 76/15) eingelegten Berufungen vor dem Oberlandesgericht Stuttgart (Urteile vom 30. März 2016 – 9 U 171/15 und vom 4. Mai 2016 – 9 U 230/15) waren in der Hauptsache erfolglos.
Die beklagte Bausparkasse hatte hiergegen erfolgreich Revision eingelegt. Der BGH hob die Urteile des Berufungsgerichts auf – soweit zum Nachteil der beklagten Bausparkassen entschieden wurde – und stellte die erstinstanzlichen Urteile wieder her.
Nach richterlicher Ansicht ist auf Bausparverträge Darlehensrecht anzuwenden, da die Bausparkasse während der Ansparphase eines Bausparvertrages Darlehensnehmerin und der Bausparer Darlehensgeber ist. Ein Rollenwechsel entsteht erst mit der Inanspruchnahme eines Bauspardarlehens. Somit sei die Kündigungsvorschrift des § 489 Abs. 1 BGB auch zu Gunsten einer Bausparkasse als Darlehensnehmerin anwendbar. Dies folgt nicht nur aus dem Wortlaut und der Systematik des Gesetzes, sondern auch aus der Entstehungsgeschichte und dem Regelungszweck der Norm, wonach jeder Darlehensnehmer nach Ablauf von zehn Jahren nach Empfang des Darlehens die Möglichkeit haben soll, sich durch Kündigung vom Vertrag zu lösen.
Nach erstmaliger Zuteilungsreife habe die Bausparkasse unter Berücksichtigung des Zwecks des Bausparvertrages das Darlehen des Bausparers vollständig empfangen. Für den Bausparer bestehe der Vertragszweck darin, durch die Erbringung von Ansparleistungen einen Anspruch auf Gewährung eines Bauspardarlehens zu erlangen.
Deshalb habe er das damit korrespondierende Zweckdarlehen mit Eintritt der erstmaligen Zuteilungsreife vollständig gewährt. Nach Ansicht des Gerichts ist es Umstand unerheblich, ob der Bausparer verpflichtet ist, „über den Zeitpunkt der erstmaligen Zuteilungsreife hinaus weitere Ansparleistungen zu erbringen, weil diese Zahlungen nicht mehr der Erfüllung des Vertragszwecks dienen.“
Deswegen sind Bausparverträge nach Auffassung des BGH im Regelfall zehn Jahre nach ihrer Zuteilungsreife kündbar und die streitgegenständlichen Kündigungen der Bausparverträge daher wirksam.
Anmerkung: Das BGH-Urteil wird je nach Blickwinkel unterschiedlich kommentiert.
Die an dem Prozess beteiligte Wüstenrot Bausparkasse AG begrüßte die höchstrichterliche Entscheidung. Mit den Kündigungen können die negativen Auswirkungen der fortdauernden Niedrigzinspolitik auf die Bausparergemeinschaft abgefedert werden. Indem Verträge aufgelöst würden, die mehr als zehn Jahre zuteilungsreif sind und deren Darlehen nicht in Anspruch genommen wurde, werde das Bausparerkollektiv gestärkt.
Für die Bauspargemeinschaft ist es eine gute Botschaft, die weiterhin auf die Stabilität dieses Systems vertrauen dürfe. Für alle Bausparer ist das Urteil ein Schlag ins Gesicht.