Schadensersatzpflicht einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
Das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz hat in mehreren aktuell veröffentlichten Urteilen vom 15. Januar 2016 und 19. Februar 2016 entschieden (8 U 1265/14 und weitere), dass eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft schadensersatzpflichtig ist, die die Überwachung einer Geldanlage übernimmt, ohne die Anleger auf erhebliche regelwidrige Auffälligkeiten hinzuweisen, wenn die Anleger dadurch ihr Geld verlieren.
In den ausgeurteilten Fällen hatten sich mehrere hundert Anleger aus ganz Deutschland an geschlossenen Immobilienfonds beteiligt und sich Gewinne durch den An- und Verkauf von Immobilien in den Vereinigten Arabischen Emiraten, insbesondere im Emirat Dubai, versprochen. Der Wunsch nach Geldvermehrung erfüllte sich für die Anleger jedoch nicht, da sämtliche an dem Geschäft beteiligte Unternehmen - mit Ausnahme der Beklagten inzwischen insolvent geworden sind. Das Landgericht Koblenz verurteilte den Initiator der Unternehmensgruppe wegen Veruntreuung von Anlegergeldern in Millionenhöhe rechtskräftig zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe.
Die beklagte und für die Fondsgesellschaften tätige Wirtschaftsprüfungsgesellschaft war als sog. „Mittelverwendungs-Kontrolleur“ für die Überwachung zuständig, dass die Einlagen der Anleger von den Fondsgesellschaften gemäß den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags verwendet werden.
In den mit den Fondsgesellschaften abgeschlossenen Kontrollverträgen war – in Unkenntnis der Anleger - lediglich die Kontrolle der deutschen Fondskonten geregelt. Vielmehr enthielt der Emissionsprospekt der Fondsgesellschaften die Werbeaussage einer doppelten und objektbezogenen Kontrolle sämtlicher Beteiligungen – und zwar „durchgängig in Deutschland und den Vereinigten Arabischen Emiraten bis hin zur Investition in die konkreten Zielobjekte“.
Später trat die eingeschränkte Kontrolle der Fondsgelder auf den deutschen Konten durch die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zu Tage, d.h. eine Kontrolle der Mittelverwendung in Dubai erfolgte nicht.
Deswegen verklagten die verärgerten Anleger die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft auf Zahlung von Schadenersatz, da der Totalverlust der investierten Gelder hätte vermieden werden können, wenn der Mittelverwendungs-Kontrolleur seiner Aufgabe ordnungsgemäß nachgekommen wäre – zunächst ohne Erfolg.
Das erstinstanzlich mit den Fällen befasste Koblenzer Landgericht (LG) wies die Klagen als unbegründet zurück, da die Anleger keine eigenen Rechte aus den Mittelverwendungs-Kontrollverträgen herleiten könnten.
Der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz sah das anderes und verurteilte die Wirtschaftsprüfungs-Gesellschaft dazu, den Anlegern Schadenersatz zu zahlen.
Nach richterlicher Auffassung schützen die Mittelverwendungs-Kontrollverträge nach dem konkreten Wortlaut und Zweck nicht nur die Fondsgesellschaften, sondern auch die Anleger. Die Kontrolleure waren verpflichtet, die Anleger vor der Zeichnung der Anteile darüber aufzuklären, dass aufgrund der mit den Fondsgesellschaften geschlossenen Vereinbarungen von vornherein keine ausreichende Handhabe bestand, eine Veruntreuung der Einlagen zu verhindern. Es gab nämlich erhebliche regelwidrige Auffälligkeiten und prospektwidrige Umstände, wie z.B. eine fehlende Einflussmöglichkeit der Kontrolleure auf die Verwendung der von den Klägern angelegten Fondsgelder in Dubai. Diese Widersprüche und Unklarheiten konnte zwar die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft erkennen, nicht jedoch der durchschnittliche Kleinanleger - auch nicht nach einer gründlichen Lektüre des Emissionsprospekts.
Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft musste als Mittelverwendungs-Kontrolleur die geschädigten Anleger aufgrund der unterlassenen Aufklärung so stellen, als ob sie den Fondsgesellschaften nicht beigetreten wären und muss ihnen die Einlagesummen abzüglich etwaiger Ausschüttungen zahlen.