Wann ein Kaskoversicherer keine Abschleppkosten erstatten muss
Das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe hat mit Urteil vom 17. Dezember 2015 (12 U 101/15) entschieden, dass ein Versicherter grundsätzlich keine Erstattung der Abschleppkosten von seinem Kaskoversicherer verlangen kann, wenn ein weitgehend zerstörtes Fahrzeug erkennbar keinen relevanten Restwert aufweist.
Ein Mann und späterer Kläger hatte für einen seiner Lastkraftwagen bei dem beklagten Versicherer eine Vollkaskoversicherung abgeschlossen. Im Mai 2014 brannte das Fahrzeug auf einer österreichischen Straße aus. Als der Lkw auf Veranlassung der örtlichen Polizei abgeschleppt wurde, machte der Kläger die dadurch entstandenen Kosten in Höhe von ca. 5.300,- € als Teil des Fahrzeugschadens gegenüber seinem Kaskoversicherer geltend.
Die Regulierung des Brandschadens war zwar unstreitig, aber der Versicherer stellte sich bei der Erstattung der Abschleppkosten quer und berief sich dabei auf die Versicherungsbedingungen, die lauteten: „Bei Beschädigung des Fahrzeugs ersetzen wir die Kosten für das Abschleppen vom Schadenort bis zur nächstgelegenen für die Reparatur geeigneten Werkstatt.“
Da der Lkw auch für den Versicherungsnehmer bzw. dessen Fahrer erkennbar einen Totalschaden ohne nennenswerten Restwert erlitten habe, welcher laut Sachverständigem lediglich 52,- € betrug, waren die Abschleppkosten somit nicht zu erstatten. Weder zur Reparatur noch zur Verwertung des Restwertes musste das Fahrzeug abgeschleppt werden. Darüber hinaus habe der Restwert in keinem wirtschaftlich vernünftigen Verhältnis zu den Abschleppkosten gestanden.
Der Versicherungsnehmer berief sich in seiner gegen den Versicherer eingereichten Klage u.a. darauf, dass der Versicherungsschutz einer Kaskoversicherung auch Abschleppkosten beinhalte.
Unabhängig davon sei das Fahrzeug auch deswegen abgeschleppt worden, weil nach österreichischem Straßenverkehrsrecht zur Vermeidung der durch das Wrack ausgehenden Gefahren eine Beseitigungspflicht bestanden habe.
Die Richter des Landgerichts Baden-Baden und des Karlsruher Oberlandesgerichts wiesen die Klage im Ergebnis als unbegründet zurück.
Zwar muss ein Versicherungsnehmer gemäß § 82 Absatz 1 VVG bei Eintritt eines Versicherungsfalls u.a. für die Schadensminderung Sorge tragen. Eine Erstattungsfähigkeit der in diesem Zusammenhang entstehenden Kosten liegt gemäß § 83 Absatz 1 Satz 1 VVG nur vor, wenn sie der Versicherte den Umständen nach für geboten halten durfte.
Vorliegend hätte durch die Abschleppmaßnahme eine wirtschaftlich sinnvolle Restwertverwertung gefördert worden müssen. Es war hier ohne weiteres erkennbar, dass das nicht der Fall war.
Daher kann ein Versicherungsnehmer Abschleppkosten auch bei einem offensichtlichen Totalschaden regelmäßig zur Sicherung des Restwerts für erforderlich halten. Das ist nicht gegeben, wenn bei einem völlig zerstörten oder ausgebrannten Fahrzeug auch einem Laien hätte bewusst sein müssen, dass das Fahrzeugwrack ohne Wert ist.
Nach richterlicher Ansicht ließ das Schadenbild auch einem Betrachter ohne Spezialkenntnisse keine andere Beurteilung zu, als dass kein relevanter Restwert mehr vorhanden war und die Abschleppkosten den Restwert deutlich übersteigen würden.
Der Umstand, dass das ausgebrannte Fahrzeug nach österreichischem Recht abgeschleppt werden musste, ändert daran nichts, dass kein Erstattungsanspruch gegenüber dem Kaskoversicherer besteht.
Ansprüche aus der Kfz-Haftpflichtversicherung waren nicht Verfahrensgegenstand. Das Gericht wollte nicht ausschließen, dass möglicherweise ein solcher Erstattungsanspruch besteht, da die Maßnahme denkbare Unfälle mit dem nicht mehr manövrierfähigen, auf der Fahrbahn befindlichen Lastkraftwagen vermeiden wollte.
Das Urteil ist mittlerweile rechtskräftig.