Zahn um Zahn
Das Oberlandesgericht München hat mit Urteil vom 22. November 2012 entschieden (Az.: 23 U 3830/12), dass ein Spielkamerad in gewissem Umfang für die Verletzungsfolgen in Anspruch genommen werden kann, wenn bei einem spielerischen Stockkampf zwischen einem Zwölf- und einem Dreizehnjährigen einer der beiden Jungen verletzt wird.
Zwei Kinder, ein dreizehnjähriger Junge und sein zwölfjähriger Freund, hatten sich zu einem spielerischen Stockkampf verabredet. Zwischen beiden wurde vereinbart, nicht auf den Kopf des anderen zu schlagen. Im Eifer des Gefechts schlug der Zwölfjährige seinem Spielkameraden jedoch einen Schneidezahn aus. Daher vertraten die Eltern des Verletzten die Auffassung, dass ihrem Sohn ein Schmerzensgeld zustehen würde. Ferner wollten sie den Zwölfjährigen dazu verpflichten, für sämtliche zukünftigen noch entstehenden materiellen und nicht vorhersehbaren immateriellen Schäden aufzukommen, die aus dem Unfall resultieren.
Dagegen waren die Eltern des Schädigers der Meinung, dass im Fall der Jungen von einem bei Kampfspielen und Wettkämpfen üblichen stillschweigenden Haftungsverzicht auszugehen sei und lehnten es ab, für die Folgen des Unfalls aufzukommen.
Zunächst hatten sie Erfolg, das Münchener Landgericht schloss sich ihrer Argumentation an und wies die Forderungen des Dreizehnjährigen als unbegründet zurück.
Die Richter des in Berufung angerufenen Oberlandesgerichts München wollten dem nicht folgen und gaben der Schadenersatz- und Schmerzensgeldklage teilweise statt.
Vorab stellten die Richter fest, dass der Freund des Verletzten fahrlässig gehandelt hat. Bei einem zwölfjährigen Jungen ist ohne Weiteres davon auszugehen, dass er die Gefährlichkeit des Spiels mit 1,5 Meter langen Holzstöcken erkennen, das Risiko erheblicher Verletzungen vorhersehen und danach handeln konnte.
Nach richterlicher Meinung kann in dem entscheidenden Fall auch nicht von einem stillschweigenden Haftungsverzicht ausgegangen werden. Voraussetzung hierfür ist, dass einem Spiel bestimmte, für jeden Teilnehmer verbindliche Regeln zugrunde liegen, die von vornherein feststehen und die auf die körperliche Unversehrtheit der Spieler ausgerichtet sind. Solche feste Regeln lagen hier jedoch nicht vor. Es wurde zwischen den Kindern lediglich vereinbart, sich nicht gegenseitig auf den Kopf zu schlagen. Daher konnte von einem geschlossenen Regelsystem, welches einen stillschweigenden Haftungsverzicht vermuten lassen könnte, nicht ausgegangen werden.
Allerdings muss sich der Dreizehnjährige ein hälftiges Mitverschulden anrechnen lassen, da er auf die gleiche Weise an dem Spiel beteiligt war, wie sein Freund. Die dem Kläger zugefügte Verletzung hätte daher ohne Weiteres auch umgekehrt vom Kläger dem Beklagten beigebracht werden können. Da der Kläger und der Beklagte in etwa gleich alt waren, ging das Gericht auch nicht von einem signifikant höheren Maß des Klägers an Einsicht in die Gefährlichkeit des Spiels aus, was ggf. ein höheres Mitverschulden bedeutet hätte.
Die Inanspruchnahme des Beklagten war auch nicht treuewidrig. Der Junge verfügt zwar über keine nennenswerten finanziellen Mittel, steht aber unter dem Schutz der von seinen Eltern abgeschlossenen Privathaftpflichtversicherung.